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Katholische Betriebsseelsorge
Diözese Rottenburg-Stuttgart
Böblingen
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Catkin auf Pixabay

Böblingen

Nikolausgruß am Rastplatz: Betriebsseelsorge im Einsatz für Lkw-Fahrer

Am Nikolaustag wird vielerorts an Kinder gedacht – die Betriebsseelsorge richtet den Blick in dieser Adventszeit ganz bewusst auch auf diejenigen, die unser aller Alltag am Laufen halten: Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer auf Europas Straßen.

Am 3. Dezember fand die Lkw-Nikolausaktion an den Rastplätzen Wunnenstein und Sindelfinger Wald statt. Mit dabei waren die katholische Betriebsseelsorge Böblingen und Heilbronn, die evangelische Betriebsseelsorge Sindelfingen, der DGB-Kreisverband Böblingen, die Beratungsstelle AMIA sowie Faire Mobilität Stuttgart. Gemeinsam suchten die Aktiven das Gespräch, machten auf Beratungsangebote aufmerksam und verteilten rund 130 Geschenktüten.

In den Tüten steckten ein Schoko-Nikolaus, Obst, Shampoo, ein Feuerzeug, eine Weihnachtskarte mit guten Wünschen sowie Informationsflyer zu Arbeitsrechten. Vor allem aber stand etwas anderes im Mittelpunkt: Zeit. Zeit für kurze Begegnungen, ein paar Minuten Austausch und für Themen, die viele Fahrer in diesen Wochen besonders bewegen. „Man merkt im Dezember sofort: Da sind Sehnsucht und Heimweh noch präsenter als sonst“, sagt Marian Schirmer, Betriebsseelsorger. „Mit der Nikolausaktion wollen wir zeigen: Ihr seid nicht nur ‘auf Achse’, ihr seid Menschen mit Geschichten, Sorgen und Hoffnungen und wir sehen euch und sind ansprechbar, wenn es Unterstützung braucht.“

Damit Hilfe nicht an Sprachbarrieren scheitert, war am Rastplatz auch das Beratungsnetzwerk Faire Mobilität dabei, die in der Muttersprache beraten können. So konnten Gespräche in Polnisch, Bosnisch, Serbisch und Kroatisch geführt werden – außerdem auf Englisch und Deutsch. Das erleichterte den Zugang, denn die meisten Fahrer sind international unterwegs und selten sicher im Deutschen. Viele Fahrer huscht sofort ein Lächeln ins Gesicht, wenn sie fern ab der Heimat in ihrer Landessprache angesprochen werden.

Das Beratungsangebot von Faire Mobilität richtet sich an Beschäftigte aus dem Ausland, die in Deutschland arbeiten oder hier unterwegs sind, besonders dann, wenn es um faire Bezahlung und korrekte Arbeitsbedingungen geht. Die Beraterinnen und Berater unterstützen unter anderem bei Fragen zu Lohn, Arbeitszeit, Pausen, Spesen, Unterbringung, Scheinselbstständigkeit, Kündigungen oder ausstehenden Zahlungen. Dahinter steht eine klare Motivation: Menschen sollen ihre Rechte kennen und durchsetzen können, auch wenn sie weit weg von Zuhause sind, oft unter Zeitdruck stehen und sich gegenüber Arbeitgebern oder Auftraggebern in einer schwächeren Position erleben. „Wir merken, wie oft Fahrer unsicher sind, ob das, was sie erleben, überhaupt ‘normal’ ist“, sagte eine der beteiligten Akteurinnen. „Schon ein kurzes Gespräch kann helfen, den nächsten Schritt zu finden.“

Die Gespräche an den Parkplätzen waren so vielfältig wie die Herkunft der Fahrer. Viele waren aus Bulgarien, der Türkei, Kasachstan, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Polen, Tunesien, Weißrussland, der Ukraine, Österreich, Tschechien, der Slowakei und Ungarn unterwegs. Fast überall ging es um dieselbe Frage: Wann sehe ich meine Familie wieder? Ein Fahrer brachte es schlicht auf den Punkt: „Arbeit ist Arbeit – aber im Kopf bist du ständig zu Hause.“ 

Einige berichteten sehr konkret von ihren Touren: lange Abschnitte durch Europa, wechselnde Länder, wenige planbare Pausen. Ein Fahrer erzählte, er sei oft mehrere Wochen am Stück unterwegs und kehre dann für eine Woche in eine Unterkunft zurück – seine Familie könne er erst im neuen Jahr wiedersehen. Ein anderer sprach von bis zu zehn Tagen Tour am Stück, je nach Rhythmus mit einigen Tagen daheim – „aber die Abwesenheit ist hart, besonders mit Kindern“. Auch die Frage nach Arbeitsbedingungen kam zur Sprache, etwa wenn Beschäftigungsverhältnisse und Bezahlung nicht zusammenpassen. 

Positiv überraschte, dass mehrere Fahrer bereits Regelungen wie das Mobilitätspaket kannten, andere wiederum waren froh über die Hinweise und Kontakte, die sie vor Ort bekamen. „Ich wusste gar nicht, dass es Stellen gibt, die mir erklären, was mir zusteht“, meinte ein Fahrer. Ein anderer ergänzte: „Man ist die meiste Zeit allein. Wenn dann jemand zuhört, ist das mehr wert als man denkt.“

Auffällig und für viele berührend: Zwei Fahrer waren mit ihren Hunden unterwegs. Auf langen Fahrten sind Tiere für manche ein wichtiger emotionaler Halt. „Der ist mein Kollege“, meinte ein Fahrer und klopfte seinem Hund auf den Rücken. „Ohne ihn wäre es viel stiller in der Kabine.“

Warum engagiert sich die Betriebsseelsorge hier so stark? In der Fernfahrerseelsorge geht es darum, dort präsent zu sein, wo Menschen arbeiten und leben – auch an Orten, die sonst niemand als „Arbeitsplatz“ wahrnimmt: Rastplätze, Parkbuchten, Laderampen. Die Fahrer verbringen oft Tage und Wochen in der Fahrerkabine, mit hohem Zeitdruck, großer Verantwortung und wenig sozialer Anbindung. Die Fernfahrerseelsorge setzt genau dort an: Sie hört zu, vermittelt Unterstützung, stärkt Würde und Respekt und macht Mut, Hilfe anzunehmen – unabhängig von Herkunft, Konfession oder Sprache. „Wer tagelang allein unterwegs ist, braucht manchmal einfach jemanden, der hinschaut und sagt: Du bist nicht vergessen“, so Brigit Elsasser, Betriebsseelsorgerin in Heilbronn.

Am Ende blieb bei vielen Begegnungen ein kurzer Moment der Wärme – und die Zusage: Es gibt Anlaufstellen, die zuhören, beraten und unterstützen. Verabschiedet wurden die Fahrerinnen und Fahrer mit guten Wünschen für eine sichere, unfallfreie und – soweit möglich – besinnliche Fahrt in Richtung Feiertage und Familie. 

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