Nikolaus-Aktion 2024: Solidarität, Wertschätzung und Einblicke in den Alltag der Fahrer*innen
Am 6. Dezember 2024 brachte die Betriebsseelsorge Böblingen zusammen mit der Evangelischen Betriebsseelsorge, FM Stuttgart, MIRA, ver.di und DGB ein Stück Wärme und Menschlichkeit zu den Menschen, die oft im Schatten unseres Alltags arbeiten – den Kurier- und Fernfahrer*innen. Mit der Verteilung von Schoko-Nikoläusen und persönlichen Gesprächen zeigten wir den Fahrer*innen, dass sie gesehen und geschätzt werden.
Die Aktion fand an zwei Standorten statt: am Amazon-Verteilzentrum in Darmsheim und am Parkplatz Sindelfinger Wald. Insgesamt konnten wir rund 250 Fahrer*innen erreichen – mit einem kleinen Geschenk und einem großen Zeichen der Solidarität. Dabei ging es nicht nur um die süße Geste, sondern um Respekt, Anerkennung und die Botschaft: "Ihr seid nicht allein."
Warum Betriebsseelsorge?
Die Arbeit als Kurier- oder Fernfahrerin ist hart. Lange Arbeitszeiten, hoher Druck, geringe Bezahlung und unklare Arbeitsverträge belasten die Menschen täglich. Die Betriebsseelsorge setzt sich für diese Beschäftigten ein, weil ihre Stimmen oft ungehört bleiben. Während die Pakete pünktlich ankommen, bleiben die Geschichten der Fahrerinnen im Verborgenen. Genau hier setzen wir an: Hinschauen, zuhören, unterstützen.
„Viele Fahrer*innen dachten zunächst, wir seien von Amazon oder einem der Subunternehmen“, erzählt Ioan Brstiak. „Als sie merkten, dass wir unabhängig handeln und allein zu ihrem Wohl da sind, war die Überraschung groß – und die Dankbarkeit spürbar.“
Was haben wir erlebt?
Am Vormittag standen wir vor den Toren des Amazon-Verteilzentrums in Darmsheim. Dort, wo die Pakete für die Touren in die Lieferfahrzeuge geladen werden, trafen wir auf viele Fahrerinnen, die bereits im frühen Morgenstress standen. Bis zu 265 Pakete pro Tour warteten darauf, zugestellt zu werden – bei Zeitdruck und oft bis spät abends. Manche Fahrerinnen berichteten, dass sie häufig bis 22 Uhr arbeiten, da die letzte Schicht um 14 Uhr beginnt.
Viele Fahrerinnen erzählten uns, dass sie den Arbeitsvertrag nie vollständig gelesen hätten – oft weil er nicht in ihrer Muttersprache verfasst war. Einige sprachen von Löhnen, die sich zwischen 14,50 und 15 Euro pro Stunde bewegen, andere erhalten nur einen Tagessatz von 100 Euro – ohne Bezahlung an Feiertagen oder im Krankheitsfall. Eine besonders beunruhigende Praxis wurde uns durch eine Disponentin geschildert: Fahrerinnen werden angewiesen, die Arbeitszeiterfassungs-App vor Ablauf der 10-Stunden-Marke zu deaktivieren, selbst wenn sie weiter arbeiten. Diese Praxis verstößt gegen das Arbeitszeitgesetz, doch der Druck von oben ist groß.
Am Nachmittag ging es zum Parkplatz Sindelfinger Wald, wo wir mit den Fernfahrer*innen ins Gespräch kamen. Viele dieser Menschen sind wochenlang von ihren Familien getrennt und verbringen ihre Ruhezeiten in den Fahrerkabinen. Die Fahrer*innen erzählten von ständigen Wartezeiten, unfairen Bedingungen und einem Alltag, der von Einsamkeit und Ungewissheit geprägt ist. Auch hier war die Freude über ein persönliches Gespräch und ein kleines Geschenk groß. „Es tut gut, zu wissen, dass jemand uns sieht“, sagte ein Fahrer.
Solidarität mit den Menschen hinter dem Lenkrad
Die Nikolaus-Aktion steht für mehr als Schokolade und warme Worte. Sie steht für den Respekt vor den Menschen, die tagtäglich unter schwierigen Bedingungen arbeiten. Diese Menschen sind das Rückgrat unserer Versorgung. Sie liefern die Pakete, auf die wir warten, und halten die Logistikketten am Laufen – oft zu Bedingungen, die wenig mit Fairness zu tun haben.
Die Betriebsseelsorge zeigt mit der Aktion: „Ihr seid nicht allein.“ Wir hören zu, wir verstehen und wir machen die Missstände öffentlich. Denn jeder Mensch hat das Recht auf faire Arbeit, gerechte Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen.
Die Betriebsseelsorge Böblingen wird weiterhin vor Ort sein, mit den Menschen sprechen und sich solidarisch an ihre Seite stellen. Wir werden nicht wegsehen – und wir laden alle ein, dies ebenfalls zu tun. Weil jeder Mensch zählt.