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Anstiften zur Solidarität

- das würde Betriebsseelsorger Thomas Maile, der diesen Sommer nach 35 Jahren Betriebsseelsorge-Tätigkeit in den Ruhestand geht, auf die Frage: "Was war denn das Wichtigste für Dich in diesen 35 Jahren?" ohne Zögern antworten. In seiner Rede zum 1. Mai ruft er zur Solidarität in Gesellschaft und Arbeitswelt auf.

Grußwort Thomas Maile am 1. Mai 2022, DGB-Kundgebung Tuttlingen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte heute mein kurzes Grußwort mit einem Gebet beginnen. Nicht nur weil heute der 1. Mai auf einen Sonntag fällt. Nein, vor allem deshalb, weil es mich schier verreißt angesichts der Gewalt und dem Leid in der Ukraine und an so vielen anderen Orten auf dieser Welt. Ich versuche meine Ohnmacht in Worte zu bringen und sie vor Gott zu tragen:

„Es ist Krieg – wir sind fassungslos.
In Verbundenheit mit vielen flehen wir zu dir, Gott:
Damit Frieden sich ausbreitet!
Damit Menschen in Hoffnung leben können.
Ohne Angst vor Bomben und Granaten und schweren Waffen.
Gib denen Weisheit, die um Frieden verhandeln.
Sei bei den Menschen in der Ukraine.
Sei bei allen, die Angst haben und um ihr Leben fürchten.
Schenke Frieden, Gott, der Ukraine und der ganzen Welt!“

In diesem Sommer gehe ich nach 35 Jahren Betriebsseelsorge-Tätigkeit in den Ruhestand. Wenn mich jemand fragen würde, was war denn das Wichtigste für Dich in diesen 35 Jahren, dann würde ich ihm ohne zu Zögern antworten: Anstiften zur Solidarität.

Menschen zusammenbringen, sie zum Zusammenhalten ermutigen, das war mein Hauptanliegen als Betriebsseelsorger. Denn Solidarität ist eine Riesenkraft, um unsere Gesellschaft und Arbeitswelt positiv zu gestalten und zu verändern. Hin zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Menschenwürde, zu besseren Arbeitsbedingungen.

Immer und immer wieder habe ich in den 35 Jahren Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben solidarisch im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und im Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze unterstützt und ihnen Mut gemacht: Gemeinsam sind wir stark! Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Nicht Milch noch Quark, Solidarität macht uns stark! Ja, Solidarität ist eine Riesenkraft.

Deshalb möchte ich heute am 1. Mai sozusagen als Vermächtnis meiner 35 Jahre Betriebsseelsorgearbeit euch und uns allen zurufen:

Lasst uns weiter gemeinsam, solidarisch für gute Arbeit kämpfen!

Für ein festes, verlässliches und auskömmliches Einkommen.

Für sichere und humane Arbeitsplätze.

Für faire Arbeitsbedingungen.

Für eine sichere und ausreichende Rente.

Für Verteilungsgerechtigkeit, für Frieden und für Arbeit für alle.

Ich danke heute am 1. Mai euch allen in den Gewerkschaften, allen Haupt- und Ehrenamtlichen, allen Betriebs- und Personalräten, allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für euren unermüdlichen Einsatz für Menschenwürde und Gerechtigkeit.

Und ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen in Betrieben ohne Betriebsrat ermutigen, einen Betriebsrat zu gründen. Die Gewerkschaft und die Betriebsseelsorge helfen Euch dabei.

Und den Chefs in diesen Betrieben rufe ich zu: Mitbestimmung schwächt nicht den Betrieb, sondern stärkt ihn. Aktuelle Studien belegen dies: Betriebe mit Betriebsräten laufen einfach besser.

Ein Lied, das mich in all den 35 Jahren begleitet hat, das mir sehr viel Kraft gegeben hat und Kraft gibt, möchte ich zusammen mit euch singen: Brot und Rosen.

Das Lied ist 1912 bei einem Textilarbeiterinnenstreik in den USA entstanden.

Wenn wir zusammen gehen, geht mit uns ein schöner Tag
durch all’ die dunklen Küchen, und wo grau ein Werkshof lag,
beginnt plötzlich die Sonne unsere arme Welt zu kosen
und jeder hört uns singen: Brot und Rosen! Brot und Rosen!

Wenn wir zusammen gehen, kämpfen wir auch für den Mann,
weil unbemuttert kein Mensch auf die Erde kommen kann.
Und wenn ein Leben mehr ist als nur Arbeit, Schweiß und Bauch,
wollen wir mehr: gebt uns das Brot, doch gebt uns die Rosen auch.

Wenn wir zusammen gehen, gehen unsre Toten mit.
Ihr unerhörter Schrei nach Brot schreit auch durch unser Lied.
Sie hatten für die Schönheit, Liebe, Kunst, - erschöpft - nie Ruh.
Drum kämpfen wir um’s Brot und wollen die Rosen dazu.

Wenn wir zusammen gehen, kommt mit uns ein bessrer Tag.
Die Frauen, die sich wehren, wehren aller Menschen Plag.
Zu Ende sei: dass kleine Leute schuften für die Großen.
Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen! Brot und Rosen!“