"Wir haben unsere Kinder verloren. Aber auch unsere Angst."
Die Veranstaltung "G36-Exporte nach Mexiko: Der Zusammenhang von Waffenlieferungen und Menschenrechtsverbrechen" wurde völlig unerwartet aus dem Programm des Katholikentages gestrichen. Um unsere Gäste aus Mexiko dennoch zu Wort kommen zu lassen, entschieden sich die beteiligten Organisationen kurzfristig, das Podium an einem anderen Veranstaltungsort selbst durchzuführen.
Rechtsanwalt Holger Rothbauer aus Tübingen berichtete dort zunächst über seine Strafanzeigen wegen illegaler Kleinwaffenexporte von "Heckler & Koch" sowie "Sig Sauer", die zu historischen Gerichtsurteilen geführt hatten.
Anschließend ergriffen María del Tránsito Pina und Javier Barajas das Wort. Das Lehrer-Ehepaar war in Begleitung der Anwältin Sofía de Robina aus Mexiko angereist. Auf eindrückliche Art und Weise machten sie deutlich, was Waffenlieferungen und Gewalt anrichten - eine Perspektive die sonst oftmals viel zu kurz kommt und die große Betroffenheit auf dem Podium und im Publikum auslöste.
Massengrab mit 80 Toten
María del Tránsito Pina und Javier Barajas haben innerhalb der letzten drei Jahre ihre beiden erwachsenen Kinder verloren: Ihre Tochter Guadalupe, die ebenfalls als Lehrerin arbeitete, fiel am 29. Februar 2020 dem gewaltsamen Verschwindenlassen zum Opfer. Nach einem Jahr der verzweifelten Suche gemeinsam mit anderen betroffenen Familien fanden die Eltern und ihr Sohn Javier den Leichnam in einem versteckten Massengrab mit 80 weiteren Toten.
Der Sohn der Familie, Javier, schloss sich daraufhin der regionalen Suchkommission an, um die Angehörigen weiterer Opfer bei ihrer gefährlichen Suche nach der Wahrheit zu unterstützen. Dieses Engagement führte dazu, dass er am 29. Mai 2021 von Unbekannten erschossen wurde. Die Eltern müssen nach massiven Drohungen nun ebenfalls um ihr Leben fürchten und haben ihre Heimatregion verlassen.
"Wir werden weiter unsere Stimme für jene erheben, die das selbst nicht können"
Mit ergreifenden Worten schilderten sie in Stuttgart ihr Schicksal und die Angst der Familien in ihrer von Waffengewalt geprägten Heimatregion Guanajuato. 100.000 Menschen in Mexiko seien bereits gewaltsam verschwunden, die Behörden täten jedoch nichts, um aufzuklären. Mehr noch, sie seien oft in das organisierte Verbrechen verwickelt, weshalb viele Angehörige sich fürchteten, Anzeige zu erstatten. Sie selbst hätten den festen Willen, die anderen Eltern zu begleiten, bis jedes Kind gefunden wurde!
"Wir haben unsere Kinder verloren. Aber wir haben dadurch auch unsere Angst verloren. Und deshalb werden wir weiter unsere Stimme für jene erheben, die das selbst nicht können", sagte María del Tránsito Pina. "In unserem Staat gibt es so viele Todesfälle, weil es so viele Waffen gibt! Und es werden noch immer mehr Waffen geliefert - wie viele Menschen sollen denn noch ermordet werden?" fragte Javier Barajas unter Tränen.
<hier Bild 2 einfügen; Text: Das Podium mit Sofía de Robina (3.v.l.), den Moderatorinnen Carola Hausotter und Charlotte Kehne sowie Anwalt Holger Rothbauer. Foto: Ohne Rüstung Leben>
Druck aus Deutschland ist dringend nötig!
Das Ehepaar und die Anwältin Sofía de Robina würdigten das große Engagement der deutschen Friedensorganisationen gegen Waffenexporte. Die wichtigen Entwicklungen hierzulande seien ein gutes Vorbild für Länder wie die USA, die weiterhin massiv Waffen nach Mexiko liefern. Gleichzeitig richteten sie einen starken Appell an die deutsche Zivilgesellschaft und die Politik, sich für eine Aufklärung der Menschenrechtsverbrechen in Mexiko einzusetzen.
"Die Stimmen aus Deutschland sind dringend nötig, um Druck auf die mexikanische Politik auszuüben", betonten sie. "Lasst uns bitte nicht allein!"