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Katholische Betriebsseelsorge
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Michael Brugger

Ulm
19.5.2020

Ein Start mit Hindernissen

Neue Betriebsseelsorgerin in Ulm

Neue Betriebsseelsorgerin in Ulm

Südwestpresse Ulm und Neu-Ulm vom 12.5.20

Ein Start mit Hindernissen

Beruf Susanne Hirschberger ist die neue katholische Betriebsseelsorgerin in Ulm. Sie spricht über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Beschäftigten und ihren eigenen Arbeitsbeginn.

Von Verena Schühly

Ganz ehrlich: Die Situation ist bescheiden. In meinem Beruf kommt es auf Kontakte an, ich mache Vertrauensarbeit – und das lässt sich übers Telefon nur allein ein schwer bewerkstelligen.“ Susanne Hirschberger ist die neue katholische Betriebsseelsorgerin in Ulm und hat ihre Tätigkeit am 1. April aufgenommen, mitten in der Corona-Krise. Viele Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet, die Menschen schlagen sich mit Existenzängsten herum. „Mir bleibt aktuell nicht viel mehr, als m eine Solidarität zu bekunden und mein offenes Ohr anzubieten für die Sorgen und Nöte der Beschäftigten. Egal ob es die betriebliche Arbeit betrifft, jemand Unterstützung braucht oder einfach nur ein Gespräch hilfreich sein kann – ich bin da!“

Antrittsbesuche fallen flach

Diese Botschaft hat die 54-Jährige per Mail an alle Kontakte der Betriebsseelsorge geschickt. Denn persönliche Antrittsbesuche fallen derzeit flach. Die Kontaktbeschränkungen behindern ihre Arbeit – aber dass sie notwendig sind, um niemanden in Gefahr zu bringen, steht für Hirschberger außer Frage. Auf ihren Kontaktaufruf haben sich schon einige Menschen gemeldet, die ihre Unterstützung wollen. Welche Stimmung nimmt sie denn in den Betrieben jetzt wahr? „Das ist sehr unterschiedlich“, betont Hirschberger. „Die Situation kam für alle überraschend, und jeder sucht für sich nach Lösungen. Das ist eine Gratwanderung zwischen Eigeninitiative, bei der manche kreativ sind, und dem Warten auf gesetzliche Regelungen.“ Sie beobachtet auch, dass „manche völlig zumachen und viele einfach überfordert sind“.
In Altenheimen herrsche eine „Wahnsinnssituation: Die Bewohner fühlen sich eingesperrt und das Personal in gewisser Weise mit. Viele haben Angst, selbst den Virus ins Haus r einzutragen. Sie leben die ganze Zeit mit dieser Sorge und haben niemanden, mit dem sie darüber reden können“, berichtet die Betriebsseelsorgerin aus ihren Gesprächen.
Im Einzelhandel hingegen leben die Beschäftigten mit der Angst, sich in der Arbeit anzustecken. Das gilt auch für Erzieherinnen in Kindertagesstätten. „In pädagogischen Einrichtungen gibt es Mitarbeiter, die älter sind und zu Risikogruppen gehören“, führt Susanne Hirschberger aus. Diese konnten sich zunächst zwar krankschreiben lassen, aber nach sechs Wochen läuft die Lohnfortzahlung aus. „Dann stehen die Leute vor einem Konflikt: Wieder arbeiten oder ganz aufhören? Da muss man sich von einem Tag auf den anderen Gedanken über die Rente machen und sich mit dem Älterwerden aus einandersetzen. Da bleibt man als Person nicht unbeschadet.“ Im Bereich der Industriebetriebe „wird die Flaute kommen und vieles ins Ungleichgewicht geraten“, da ist sich Hirschberger sicher. Ganz allgemein nimmt sie wahr, dass es für zahlreiche Mitarbeiter nicht nur beruflich schwierig ist, sondern auch privat: „Sie müssen ihre Familien organisieren, die Kinder ausreichend für die Schule begleiten und zugleich die Generation der Großeltern mitversorgen.“ Außerdem verstärken sich die Sorgen bei Menschen, die einsam sind oder arbeitslos sind. „Bewerbungen sind zurzeit völlig sinnlos – und niemand weiß, wie lange das noch dauert.“ Wie belastend Arbeitslosigkeit sein kann, hat Hirschberger selbst erlebt: Sie ist nicht – wie die meisten ihrer Betriebsseelsorger-Kollegen – Theologin, sondern kommt aus der Praxis.

Geboren in Sindelfingen, hat sie bei IBM eine Ausbildung zur Informationselektronikerin gemacht. Während der Lehre kam sie in Kontakt mit der Betriebsseelsorge und der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ). Für den Jugendverband war sie anschließend einige Jahre hauptamtlich tätig.Dann folgten Jahre mit „kleinen Erziehungspausen“ für ihre beiden Kinder, die Mitarbeit in einem Systemhaus in Böblingen und der Aufbau eines Projekts zur Berufsorientierung für Schüler. Manches lief parallel, nebenher hat Hirschberger die Weiterbildung zur Betriebswirtin absolviert. Dann übernahm sie die Leitung eines Heims für auszubildende Mädchen in Stuttgart, und die letzten drei Jahre war die Frau mit dem grauen Kurzhaarschnitt Regionalreferentin der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) in Memmingen.

An der Ulmer Stelle reizt sie das von Vorgänger Michael Brugger ins Leben gerufene Pflegebündnis. Ein zweites Steckenpferd ist für die Arbeit mitFrauen „um die 50, in deren Leben sich oft vieles ändert, gewollt und ungewollt“. Sie hofft, die Arbeit mit dieser Personengruppe auch hier in Ulm zu verwurzeln.


Doch jetzt muss sie selbst erst Wurzeln schlagen in einer neuen Stadt, was in Zeiten der Corona- Kontaktbeschränkungen nicht einfach ist. Dennoch ist sie zuversichtlich: „Ich bin eine gute Netzwerkerin.“ Wenn Hirschberger privat anzutreffen ist, dann am liebsten draußen, beim Walken und Wandern in der freien Natur. Sie engagiert sich auch schon viele Jahre ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit und war für die Grünen kommunalpolitisch aktiv.