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Katholische Betriebsseelsorge
Diözese Rottenburg-Stuttgart
Tuttlingen
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Stadt Tuttlingen

Tuttlingen
22.10.2020

Betriebs- und Personalräte - Schlüsselfiguren im Unternehmen

Trotz oder vielleicht auch wegen Corona nahmen sich über 30 Betriebs- und Personalräte sowie kirchliche Mitarbeitervertreter und -vertreterinnen einen ganzen Tag lang Zeit, um ihre Erfahrungen auszutauschen und einander Mut zu machen. Die Betriebsseelsorge Tuttlingen-Rottweil hatte sie wieder - wie in jedem Jahr - zu einem "Oasentag" auf den "Berg" eingeladen.

Ein großer, goldener Schlüssel zierte die Mitte des Saales und erschloss den Teilnehmern das Motto: Die Leute in der betrieblichen Interessenvertretung seien „Schlüsselfiguren“ in der modernen Arbeitswelt, so Betriebsseelsorger Thomas Maile in seiner Begrüßung. Er konfrontierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleich mal mit der Frage: „Was hat euch denn bewogen, ein solches Mandat zu übernehmen?“ Oft war die eigene Erfahrung von Unrecht wie ein Schlüsselerlebnis: Willkür von oben, Ungleichbehandlung, Mobbing am Arbeitsplatz. Doch über kompetente Betriebsräte war da Abhilfe zu schaffen. Andere fühlten sich durch überzeugende Vorgänger ermutigt oder fühlen sich grundsätzlich dem christlichen Anspruch verpflichtet, sich für andere einzusetzen. „Handeln statt nur meckern“, das sei die Devise. Bei wieder anderen war es die recht verstandene Neugier, das Interesse an den arbeitenden Menschen. Viele wollen aber auch ein Unternehmen durchschauen, Abläufe kennenlernen und an Entscheidungen mitwirken: Wie tickt denn unser Betrieb und wie können wir Einfluss nehmen, um „gute Arbeit“ zu garantieren. Wer sich für ein Mandat in der betrieblichen Interessenvertretung bereit findet, muss sich immer wieder neu über sein Motiv im Klaren sein, sonst reicht die Kraft nicht aus. Da braucht es Verbündete in der Kollegenschaft, in Gewerkschaften und Betriebsseelsorge, um standzuhalten und glaubwürdig agieren zu können.

 

Betriebsseelsorger Thomas Maile und Paul Schobel beim Oasentag

Aber welche Schlüssel hat eine Interessenvertretung denn wirklich in der Hand? Es sind die gesetzlich verbrieften Mitbestimmungsrechte in Wirtschaft, Verwaltung und Kirche. Sie gezielt anzuwenden, bedarf freilich hoher Kompetenz, die man sich vor allem über die Gewerkschaften aneignen kann. Weiterbildung, darüber waren sich alle einig, bleibt eine ständige Herausforderung.

Betriebsrat in Coronazeit

Die gegenwärtige Pandemie, so war den Berichten der Anwesenden zu entnehmen, bedrohe zunehmend die Sicherheit der Arbeitsplätze. In vielen Unternehmen sei immer noch Kurzarbeit die Regel – mit ungewissem Ausgang. Kommt es am Ende doch noch zu Entlassungen? In einigen Unternehmen würden nun – sozusagen unter dem Deckmantel von Corona – Arbeit ins billigere Ausland verlagert und Stellen abgebaut. Das sei so nicht hinzunehmen. In einer eigenen Grußadresse erklärten sich die Anwesenden mit der IG Metall solidarisch, die zu gleicher Zeit in Schwenningen auf einer Kundgebung unter dem Motto „Solidarität gewinnt – gemeinsam durch die Krise“ für die Sicherheit der Arbeitsplätze eintrat.

Corona bringe viel menschliche Not in die Betriebe, so äußerten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Vor allem die Angst und Unsicherheit um die Arbeitsplätze mache schwer zu schaffen, aber auch die Belastungen durch Einschränkungen und Hygienemaßnahmen. Sie mussten auch am „Oasentag“ selbst strikt eingehalten werden. Trotz Abstand aber müssten wir innerlich noch näher zusammenrücken, meinte Thomas Maile.

Teilnehmerin präsentiert Ergebnisse aus der Gruppenarbeit

Schlüssel für die Betriebsratsarbeit

Paul Schobel, der ehemalige Leiter der Betriebsseelsorge in der Diözese, empfahl den Anwesenden ein ganzes „Schlüsselbrett“. Betriebs- und Personalräte müssten zum Schlüssel greifen, der ihnen Einblick gibt in die Wirtschaftsweise des Kapitalismus. Der Gegensatz von Arbeit und Kapital zwinge die Interessenvertretung zu einem ständigen Kampf um Recht und Würde der Arbeit. Betriebsräte hätten aber auch die Schlüssel zur „Schaltzentrale der Mitbestimmung“ und zum „Kraftwerk der Solidarität“ in der Hand. So können sie Macht entfalten gegenüber reinen Kapitalinteressen. Vor allem aber, so der Betriebsseelsorger, hätte die Interessenvertretung Zugang zu den Herzen der Menschen, wenn sie ihnen das Ohr leihen, ihnen in die Augen schauen und sich für ihre Anliegen einsetzen.

Abschluss in der Wallfahrtskirche auf dem Dreifaltigkeitsberg

Das kleine und intime Brunnenhaus auf dem „Berg“ blieb den Teilnehmern in diesem Jahr wegen des Abstandsgebots als Meditationsraum verschlossen. An diesem Kraftquell hatten sie in den früheren Jahren gebetet und sich verabschiedet. Das geschah dieses Mal in der Rotunde der Wallfahrtskirche: Macht Euch die Interessenvertretung zur „Herzenssache“, so die Betriebsseelsorger in der Schlussmeditation. Das verbindet euch mit der Liebe des Jesus von Nazareth zu den Menschen.

Kirche auf dem Dreifaltigkeitsberg Spaichingen