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Katholische Betriebsseelsorge
Diözese Rottenburg-Stuttgart
Kundgebungsteilnehmer*innen
ca. 300 Kolleginnen und Kollegen sind am 30.09.2020 nach Winnenden zur Kundgebung gekommen
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Kath. Betriebsseelsorge Ludwigsburg

Ludwigsburg
1.10.2020

Systemrelevant ???

Ca. 300 Kolleginnen und Kollegen sind nach Winnenden zur Kundgebung gekommen - aus allen Kliniken im Landkreis Ludwigsburg sind sie da. Das Wetter und die Stimmung ist gut, aber es ist viel Ärger zu spüren: Aus ihrer Sicht hat sich durch die Pandemie an der konkreten Situation im Arbeitsalltag nichts zum Positiven verändert. Konsens, auch in der der Solidaritätsadressen, ist: die Beschäftigten haben die zusätzliche Überlast gewuppt, dafür viel hingenommen und sind jetzt wieder da wo sie vorher waren: In der Überlast. Da nützt auch gesellschaftliche Anerkennung wenig, wenn sich die Arbeitgeber*innen bei Gehalt und Entlastung nicht bewegen.

Christian Gojowczyk stellt in seinem Redebeitrag eine ketzerische Frage: "Wie systemrelevant seid Ihr eigentlich?" Nach seiner Erfahrung aus der Produktion kann man systemrelevante Maschinen nur auf Verschließ fahren, wenn Ersatz verfügbar und ein schneller Austausch möglich ist. Sonst steht die Arbeit, ist das Unternehmen gefährdet. Ist etwas systemrelevant, aber nicht ersetzbar, muss ich die Belastung in Grenzen halten. Und  in den Kliniken? Wird munter weiter auf Verschleiß gefahren, obwohl immer mehr Kolleginnen und Kollegen ausfallen oder flüchten. Wohin führt das?

Dass das Gesundheitssystem an sich mit Fallpauschalen, Privatisierung und Unterfinanzierung das Problem ist, da sind sich alle Redner*innen einig. Christian Gojowczyk wundert sich, dass Menschen wegen zeitweiliger Einschränkungen beim Demonstrationsrecht massenhaft und bisweilen mit Reichskriegsflaggen dekoriert auf die Straße gehen, die fortgesetzten Grundrechtsverstöße im Gesundheitswesen aber in der Öffentlichkeit ignoriert werden:

Die Würde des Menschen ist unantastbar - auch wenn Menschen in Not lange warten müssen, bis überhaupt jemand an ihr Bett kommen kann? Auch wenn Pflegekräfte permanent in Gewissensnöte gebracht werden, wo sie helfen und wo sie's lassen? Wenn Kolleginnen und Kollegen in den Servicebereichen ausgegliedert und ausgeblutet werden, obwohl nichts ohne ihre Arbeit funktioniert?

Wo bleibt das Recht auf körperliche Unversehrtheit, wenn OPs nach Gewinnperspektive, nicht nach Erforderlichkeit durchgeführt werden, Pflegekräfte 12-Stunden-Schichten fahren und dann aus dem Frei geholt werden?

Eigentum verpflichtet - warum zahlen viele und durchaus gut Verdienende gar nichts ins Gesundheitswesen ein, warum dürfen mit menschlicher Gesundheit zweistellige Umsatzrenditen erwirtschaftet werden und warum ist Daseinsvorsorge überhaupt privatisierbar?

Koalitionsfreiheit: Immer wieder werden unter zweifelhaften Begründungen Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften Zutritt zu den Betrieben eingeschränkt oder verweigert - zuletzt bei Spillmann in Bietigheim, aber schon länger auch im Klinikum Ludwigsburg. Verdi-Mitglieder müssen sich rechtfertigen, wenn sie erkennbar gewerkschaftlich aktiv sind.

Die Zusage von Christian Gojowczyk ist, dass die Betriebsseelsorge diese Grundrechtsverstöße sieht und thematisiert, wo immer möglich, gerade auch im anstehenden Wahlkampf in Land und Bund. Die klare Aussage ist: Wer als Politiker dieses Gesundheitssystem und seine politischen Ursachen weiter unkritisch hinnimmt, der ist nicht christlich, der ist nicht sozial und der ist auch nicht nachhaltig!

Collage_0.pdf (686.61 KB)
Eindrücke von der Kundgebung in Winnenden