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Katholische Betriebsseelsorge
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Frauen in Argentinien
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Argentinien

Leitung
5.5.2020

Vom (Über-)Leben, Arbeiten und gewerkschaftlichem Engagement in den Zeiten von Corona

Stimmen aus der weiten Welt. Teil 8 – Fernández, Provinz Santiago del Estero, Argentinien

 „Es gibt viel Solidarität“ - Mit der Schulsozialarbeiterin Anke Soria im Gespräch

Anke Soria ist Sozialarbeiterin an einer Schule in Fernández, Nordargentinien.

 

Wie hat sich die weltweite Corona-Pandemie auf die Menschen in Fernández und auf Deine Arbeit ausgewirkt?

Die Auswirkungen auf die Bevölkerung in Fernandez werden immer spürbarer. Seit dem 16. März leben wir alle in Quarantäne. Schulen, Geschäfte, Ämter, etc., alles ist geschlossen. Nur Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Ärzte haben noch geöffnet. Ab 14 Uhr besteht eine Ausgangssperre. Man kann nur noch mit einer Sondergenehmigung vor die Haustüre, seit dem 23. April nur noch  mit Mundschutz.

Meine Arbeit in der Schule verrichte ich von zu Hause aus über die sozialen Netzwerke, per Email und Videokonferenzen. Unsere zweite und wichtigere familiäre Einnahmequelle jedoch ist der Schülertransport, der bis auf weiteres ruht. Das ist finanziell eine große Belastung.

 

Welche Konsequenzen hat das für die Bevölkerung?

Das ist ganz unterschiedlich. In Fernandez leben viele Menschen entweder von ihrer Selbständigkeit, als Tagelöhner und auch von  Schwarzarbeit. Diese Einnahmequellen fallen alle weg. Es gibt staatliche Hilfe, die jedoch nicht alle Betroffenen erreicht. Seid 2 Tagen sind 2 Personen - Landarbeiter, die aus dem Süden zurückkehrten - positiv auf Covid-19 getestet worden. Alle hoffen, dass sich nicht zu viele Personen anstecken. Es herrscht große Unsicherheit.

 

Wie helfen sich die Menschen untereinander?

Solidarische Zeichen und Gesten aus der Bevölkerung gibt es seit Beginn der Pandemie. Älteren Menschen wird Hilfe von Nachbarn oder jungen Bekannten angeboten. Ein Netz an Lieferdiensten hat sich schnell etabliert. Schon in den ersten Tagen haben Näherinnen begonnen, für die Bevölkerung Mundschutz-Masken herzustellen und entweder günstig zu verkaufen oder auch zu verschenken. Auch Lebensmittel werden von den Schulen/der bürgerlichen Gemeinde an sehr betroffene Familien verteilt.

 

Anke, was macht Dir persönlich in diesen Tagen Mut?

Mut ...  ich möchte lieber den Ausdruck Hoffnung verwenden.

An erster Stelle möchte ich das wiedergewonnene Familienleben erwähnen. Das sich neu Aneinander gewöhnen in der Familie ist eine Herausforderung, da die schnelllebige Zeit ein ruhiges Familienleben eigentlich nicht mehr zuließ. Auch der Respekt, die gegenseitige Toleranz und Solidarität unter den Familienmitgliedern muss wieder wachsen. Da heute viele Aktivitäten außer Haus stattfinden und die Freizeitaktivitäten fast anstrengender sind als die Schule, sind die Familien mich mehr gewöhnt, so nah und lange zusammen zu sein. Als Sozialpädagogin mit dem Auftrag, Schüler*innen sowie Eltern zu begleiten und Kontaktperson zu den Lehrern zu sein, möchte ich einen Gedanken formulieren, der mir sehr klar wurde in diesen Wochen. Eltern schicken heute ihre Kinder meist zur Schule und delegieren die Erziehungsarbeit gleich komplett an die Lehrkräfte mit. Das gilt nicht nur für den akademischen Bereich. Auch sozialpädagogisch schieben die Eltern ihre Verantwortung von sich. In der jetzigen Situation sind auch die Eltern wieder in ihrer Erziehungsverantwortung gefragt und gefordert. Mich macht dies auch etwas glücklich. Dadurch kann der Respekt vor der Arbeit der Pädagog*innen generell wieder wachsen.