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Katholische Betriebsseelsorge
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Leitung
30.4.2020

Vom (Über-)Leben, Arbeiten und gewerkschaftlichem Engagement in den Zeiten von Corona

Stimmen aus der weiten Welt. Teil 1 - Spanien

"Bauwirtschaft und öffentliche Dienste: ein anderes Sozial- und Wirtschaftsmodell ist möglich!“ – mit dem Gewerkschafter Jesús Fernández Béjar im Gespräch

 

Jesús Fernández Béjar ist Koordinator für Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit der CCOO de Construcción y Servicios, Spanien (Dienstleistungs- und Baugewerkschaft des spanischen Gewerkschaftsbundes CCOO).

 

Jesús, welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt und insbesondere auf die Bauarbeiter*innen in Spanien?

 

Die Auswirkungen von Covid-19 in der Arbeitswelt und insbesondere im Bausektor sind brutal. Angesichts des Mangels an Persönlicher Schutzausrüstung (EPIs) und der großen Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Sicherheits- und Schutzmaßnahmen sowie der hohen Ansteckungsgefahr forderte die ‚CCOO de Construcción y Servicios‘ die Einstellung der Bauarbeiten mit Ausnahme der Unterhaltsarbeiten an kritischen Infrastrukturen. Diese Arbeiten wurden definitiv für 9 Tage unterbrochen, zeitgleich mit Ostern; später wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, mit Ausnahme der Arbeiten in bewohnten Gebäuden (Sanierung). Unternehmen können sich dafür entscheiden, Arbeitnehmer vorübergehend zu entlassen (ERTE): Danach werden sie jedoch für mindestens sechs Monate wieder an ihren Arbeitsplatz eingegliedert. Während dieser Zeit erhalten sie mindestens 70% ihres Gehalts; und das Unternehmen kann die restlichen 30 % des Gehalts aufstocken, wenn das betrieblich vereinbart wurde. Dies hat zu einem Verlust an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Bausektor im Monat März von 39.818 Arbeitnehmer*innen geführt (-4,5%) gegenüber Februar und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um insgesamt 2,92% (+59.551 Personen).

 

 

Der Ausbruch von COVID-19 ist ein erheblicher Rückschlag gegenüber den Wachstumserwartungen und frustriert unmittelbar die Erholung des Sektors, aber zum jetzigen Zeitpunkt muss das Hauptanliegen die Bekämpfung der Pandemie sein. Von der ‚CCOO de Construcción y Servicios‘ konzentrieren wir uns auf den Schutz der Arbeitnehmer*innen sowohl bei der Überwachung von Gesundheit und Sicherheit als auch bei der Beschäftigung und der Aufrechterhaltung der Löhne.

 

Wie begehen die CCOO den 1. Mai – welches Motto prägt die Aktivitäten zum 1. Mai?

 

An diesem 1. Mai können wir nicht physisch auf den Straßen oder Plätzen sein, sondern sind mit dem Motto: "Arbeit und öffentliche Dienste: ein anderes Sozial- und Wirtschaftsmodell ist möglich“, öffentlich präsentsein; wir werden diese Forderung und unsere Anliegen beharrlich vorantreiben, denn heute mehr denn je werden wir als aktive, starke und engagierte Gewerkschaft gebraucht. Alles ist durch die Ausbreitung der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen worden; Tausende von Menschen sind gestorben, unser Produktionsgefüge wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen, Hunderttausende von Arbeitsplätzen sind in Gefahr und Hunderttausende von Menschen sind angesichts der Krise ohne Ressourcen.

Der 1. Mai ist ein Datum für die Forderungen der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer, daher werden wir die Bekämpfung prekärer Arbeitssituationen als Schwerpunktthema nicht vergessen, wenn wir aus dieser Gesundheitskrise herauskommen; dieses Thema muss eine gewerkschaftliche Priorität in unserem Land sein. Ebenso besteht nach wie vor die Gefahr von Millionen von Entlassungen, also "müssen wir nach dieser Krise ein auf Befristungen, Prekarität und niedrigen Löhnen basierendes Arbeitssystem, das nicht funktioniert, mit dem Risiko von Massenentlassungen gründlich überprüfen und in Frage stellen".

Wir müssen das Netz der sozialen (Ab-)Sicherung vervollständigen, denn es gibt (in Spanien) Hunderttausende Arbeitslose, die keinerlei Einkommen haben und keine Möglichkeit, jetzt Arbeit zu finden. Deshalb muss es ein existenzsicherndes Mindesteinkommen geben.

Wir müssen den Menschen Geld in die Tasche stecken, die Liquidität von Unternehmen und KMU erhöhen, um Konkurse zu vermeiden und einen Investitionshebel für die wirtschaftliche Erholung zu schaffen. Zu diesem Zweck ist es unerlässlich, dass die Europäische Zentralbank alle Neuemissionen von Schuldtiteln aufkauft, was als ewige Schuld zum Nulltarif bezeichnet wird.

 

Was lässt Dich mit Optimismus in die Zukunft schauen?

Wir werden aus dieser Situation herauskommen, wenn wir zusammen und geeint agieren und Europa tut, was von Europa erwartet wird!