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Katholische Betriebsseelsorge
Diözese Rottenburg-Stuttgart
Schlachterei
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Leitung
18.5.2020

Mehr Kontrollen durchzuführen ist gut – eine Systemänderung jedoch die nachhaltigere Option!

Ein Kommentar von Wolfgang Herrmann zur Situation von Werkvertragsarbeitnehmer*innen in der Fleischwirtschaft

Seit Bekanntwerden hoher Covid-19 Infektionszahlen unter osteuropäischen Werkvertragsarbeiter*innen in der fleischverarbeitenden Industrie befindet sich das Land im „Empörungszustand“.  Unhaltbare, teils menschenunwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen wie überteuerte, unhygienische (Sammel-)Unterkünfte sowie eine miese Entlohnung auf Mindestlohnniveau oder wenig darüber werden zurecht an den Pranger gestellt.

Neu sind diese Zustände jedoch nicht. Seit Jahren weisen Beratungsstellen wie das DGB-Projekt Faire Mobilität und engagierte Bürger wie der münsterländische Pfarrer Peter Kossen auf die ausbeuterische Strukturen einer Branche hin, die - koste es was es wolle - auf billig getrimmt ist. Jetzt, in COVID-19 Zeiten, treten die Schwachstellen dieses Systems allerdings noch sichtbarer in Erscheinung und decken auf, was schon vorher Normalität war.

Steckt hinter der Empörung und dem politischen Aktionismus, mit der man dieser Situation nun Herr werden will, vielleicht auch das Eingeständnis, bekannte Missstände viel zu lange hingenommen und toleriert zu haben ? Unternehmen nutzen bisher ohne Zögern das Instrument der Werkvertragsvergabe an Subunternehmern und entledigen sich damit jeglicher wirtschaftlicher wie sozialer Verantwortung. Subunternehmen heuern auf Niedrigstlohnniveau Arbeitnehmer*innen aus Osteuropa an und zwängen sie in unterschiedlichste Abhängigkeiten, wenn sie, nur ein Beispiel, sowohl als Arbeitgeber wie Vermieter firmieren. Dass sie es mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz  oft nicht so genau nehmen ist ebenso dokumentiert wie Verstöße bei der Arbeitszeiterfassung zuungunsten der Arbeitnehmer*innen. Zu den Profiteuren des Systems zählen auch die Immobilienbesitzer, die für ein Bett im Vierer-Zimmer locker Mal 200.- € Monatsmiete verlangen oder auf diesem Weg ihre Ramschimmobilien gewinnbringend vermarkten . Und auch so manche Kommune scheint angesichts der willkommenen wie notwendigen Gewerbesteuer ein Auge zuzudrücken. 

Es darf jetzt nicht länger Weggesehen werden. Die angekündigten Verbesserungen beim Gesundheits- und Arbeitsschutz und deren strengere  Kontrollen durch personell aufzustockende Behörden sind ein erster, notwendiger Schritt. Das reicht aber nicht und behebt auch nicht das Problem an der Wurzel. Das System Werkvertragsvergabe an Subunternehmen gehört dringend reformiert, am besten abgeschafft. Es hat sich nicht bewährt, weil es beständige Quelle arbeits- wie sozialrechtlicher Verstöße ist und (nicht nur) in der Fleischwirtschaft zu unakzeptablen Lebens- und Arbeitsbedingungen geführt, denen die Menschen in diesem System meist wehrlos ausgeliefert sind.

Siehe dazu auch den Beitrag unter Neuigkeiten: Auf der Strecke bleibt der Mensch - Der Schlachthof und das Leben. Ein journalistischer Beitrag von Erika Harzer:

Sie auch die Forderung der IG BAU zur Situation der Erntehelfer*innen in der Landwirtschaft: