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Katholische Betriebsseelsorge
Diözese Rottenburg-Stuttgart
Karolina Tomanek
Aalen
4.5.2020

„Geht aufrecht, gebt einander Halt!“

Ein Erster Mai ohne Kundgebung, ohne markante Botschaften, ohne das verbindende Gefühl, an diesem Tag Tradition und Ziele der Arbeiterbewegung aufleben zu lassen: undenkbar und doch Realität.
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„Geht aufrecht, gebt einander Halt!“

Ein Erster Mai ohne Kundgebung, ohne markante Botschaften, ohne das verbindende Gefühl, an diesem Tag Tradition und Ziele der Arbeiterbewegung aufleben zu lassen: undenkbar und doch Realität. Denn der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte alle Kundgebungen mit Blick auf Corona landesweit abgeblasen. So auch in Aalen. Betriebsseelsorger Dr. Rolf Siedler, KAB-Sekretärin Maria Sinz und etliche GefährtInnen aus Gewerkschaft und UtopiAA wollte dies jedoch keine Ruhe lassen. In Zeiten der verordneten Distanz zu den Mitmenschen setzten sie ein sichtbares Zeichen vor dem Aalener Rathaus: Mitgefühl, Würde, Gerechtigkeit und Solidarität sind nicht abgesagt.

Die Idee war, sich wabenförmig zusammenzuschließen. Rot lackierte Kanthölzer wurden wie Bienenwaben auf dem Boden ausgelegt, an den Ecken verbunden und mit klaren Botschaften versehen. „Zukunft: Mehr als das Ende von Corona“ war da zu lesen oder „Zukunft ohne Solidarität ist keine Zukunft.“ Spontan gesellten sich Passanten dazu. Von fünfzig Personen wurde das Gebilde dann angehoben. Ein wunderbarer Moment.

„Die Natur hat mit dem Sechseck eine extrem stabile Verbindung erfunden“, führte Rolf Siedler in seiner Begrüßung aus. „Und ein solches Gebilde aus Sechsecken sind wir hier.“ Diese – wenn auch unfreiwillige - Unterbrechung gelte es für den notwendigen Wandel auf allen Ebenen zu nutzen. Und wenn von „Neuer Normalität“ gesprochen werde, dann könne dies nur bedeuten, dass die Zukunft von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit geprägt sei. Sicherheit sei etwas anderes als Solidarität, denn Solidarität brauche Nähe und nicht Abschottung. „Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort. Dort treffen wir uns!“ zitierte Daniela Dorrer vom Projekt UtopiAA den islamischen Mystiker Rumi. Dann wurde gesummt, Vokale bildeten eine einmalige Klangkulisse und alle sangen miteinander „Geht aufrecht, gebt einander Halt, kämpft für den Wandel, gebt der Zukunft Gestalt!“

„Es hat mir so gut getan, hier wieder mit anderen Engagierten zu stehen und meinen Überzeugungen in der Öffentlichkeit Ausdruck zu geben“, sagte eine Teilnehmerin am Ende der Aktion. Sie sprach allen aus dem Herzen. Auch Roland Hamm, der am Tag davor noch in Verhandlungen bei Bosch war, pflichtete bei: „Ich halt es nicht aus ohne ein Symbol am Ersten Mai.“. Er wäre an diesem Ersten Mai zum letzten Mal in seiner Funktion als erster Bevollmächtigter der IGMetall dabei gewesen und hätte sich bei der Kundgebung verabschiedet. Nun bildete er ein Eck in einem Geflecht von Waben der Menschlichkeit. Kein Zweifel: dieser Erste Mai wird allen Teilnehmenden in Erinnerung bleiben.

(rs)